Hochbegabungen im Unternehmen – Fluch oder Segen?

Talentmanagement und das Bewusstsein über spezielle Begabungen sind der Schlüssel

Im Durchschnitt sind von 100 Personen zwei hochbegabt. Weitere 8 sind kognitiv überdurchschnittlich begabt. Diese Personen bringen – wie alle anderen Menschen auch – ihre besonderen Denkweisen und Verhaltensweisen mit. Ist Hochbegabung mit ihren spezifischen Merkmalen allen Beteiligten bekannt, können Reibungsverluste in Teams minimiert und Potentiale ausgeschöpft werden.

Investitionen in die Identifizierung, Entwicklung und Integration hochbegabter Mitarbeiter sind eine langfristige Investition in die Zukunft eines Unternehmens. Die Wertschätzung und Förderung von Talenten wirkt sich nicht nur positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung aus, sondern ist auch ein entscheidender Faktor, um Innovationsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz des Unternehmens zu steigern. In diesem Sinne ist Talentmanagement nicht nur ein Instrument zur Förderung einzelner Individuen, sondern eher ein ganzheitlicher Ansatz, der die Identifikation, Förderung, Integration und Entwicklung von allen Talenten im Unternehmen im Blick hat.

Einführung

Hochbegabung – ein Begriff, der sowohl Faszination als auch Missverständnisse hervorruft. Während hochbegabte Individuen oft mit außergewöhnlichen Fähigkeiten und Potenzialen in Verbindung gebracht werden, können sie in einem Unternehmenskontext sowohl eine Bereicherung als auch eine Herausforderung darstellen.
Was bedeutet dies konkret?

Herausforderungen und Missverständnisse

Hochbegabte bringen oft eine ausgeprägte Gestaltungsmotivation mit, die – gepaart mit einer unterdurchschnittlichen Führungsmotivation[1] – zu Konflikten mit Führungskräften führen können. Mitunter fällt es hochbegabten Menschen schwer, sich konventionellen Strukturen und Normen anzupassen. Ihre kreative und innovative Denkweise fordert bestehende Prozesse heraus und kann zu Reibungspunkten innerhalb der Organisationsstruktur führen. Auch die Tendenz, Fehler oder Mängel klar und direkt anzusprechen, kann „unempathisch“ und „zu direkt“ wirken. Ausschmückungen, Erklärungen und Abschwächungen in der Kommunikation erscheinen ihnen oft ebenso „unnötig“ wie einleitender „Small Talk“.

Weitere Merkmale von Menschen mit einer kognitiven Hochbegabung sind vernetztes Denken und hohe Abstraktionsfähigkeit. Dadurch entstehen oftmals innovative Lösungsvorschläge. Solche Vorschläge liegen aber nicht automatisch für jeden auf der Hand. Sie wollen erläutert werden, insbesondere wenn vielen Teammitgliedern das Problem, das gelöst wird, noch gar nicht bewusst ist. Liegt wenig Verständnis für die Notwendigkeit einer schrittweisen Erklärung vor, sind Frustrationen vorprogrammiert.

Ein Beispiel

Michael wird im Team als sehr direkt und anstrengend wahrgenommen. Er „knallt“ dem Team Arbeitsanweisungen „hin“ und reagiert bei Rückfragen zum Teil recht ungeduldig. Das Verhalten ist für alle Beteiligten sehr aufreibend. Michael ist seine Hochbegabung nicht bewusst, weshalb er wenig Verständnis für seine eigene Geschwindigkeit in der komplexen Analyse vielschichtiger Herausforderungen und Lösungsfindungen hat. Dies führt zu seinem ungeduldigen Verhalten den anderen Teammitgliedern gegenüber. Wird für diese Diskrepanz keine Lösung gefunden, wird Michael wahrscheinlich über kurz oder lang das Unternehmen wechseln. Auf den ersten Blick ist das Unternehmen einen Störenfried los. Bei genauerem Hinschauen verliert das Unternehmen jedoch einen Mitarbeiter, der unter anderen Bedingungen kein Störenfried wäre, sondern engagiert tragfähige Lösungen für vielschichtige Herausforderungen liefern kann. Stattdessen muss die Stelle nun neu besetzt werden, was Arbeitszeit bindet und erhebliche Kosten für das Recruiting bedeutet.

Vorteile und Potentiale hochbegabter Mitarbeiter

Das Bewusstsein für spezielle Begabungen im Unternehmen kann zu großen innovativen Fortschritten und Effizienzgewinnen beitragen. Teammitglieder mit besonderen kognitiven Begabungen können durch ihre analytische und kreative Denkweise häufig zu einer beschleunigten Entwicklung von Produkten, Dienstleistungen und Prozessoptimierungen beitragen, die das Unternehmen deutlich vom Wettbewerb abheben.

Der entscheidende Faktor

Den Unterschied, ob eine Hochbegabung Fluch oder Segen ist, macht meist die Passung zwischen Team und Person und das Bewusstsein über persönliche Unterschiede. Wie jedes Teammitglied den diversen eigenen und Bedürfnissen der anderen begegnet, wie es sozialen oder fachlichen Austausch wahrnimmt, hängt wesentlich vom Verständnis für sich und die anderen ab.

Auf die genannten Bedürfnisse kann nicht jedes Unternehmen stets Einfluss nehmen. Was allerdings beeinflusst werden kann, ist das Wissen über bestimmte Eigenschaften und Differenzen, die womöglich ihren Ursprung in einer kognitiven Hochbegabung haben. Dieses Wissen erleichtert einen förderlichen und motivierenden Umgang mit allen Individuen im Team und bereitet den Boden für Innovation, Kreativität und langfristigen Erfolg.

Dieser Artikel entstand auf einem Themenabend des Proteus-Projektes. Mitgewirkt haben: Eva Kippenberg, Hedwig Vielreicher, Dr. Artus Ph. Rosenbusch, Daniela Schnagl-Vitak, Heike Fischer und Dr. Petra Golenhofen.

[1] Hossiep und Scheer, 2013: Zusammenhänge zwischen Hochbegabung und berufsbezogenen Persönlichkeitseigenschaften, Forschungsbericht Ruhr Universität Bochum

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